Verdeckte Ermittlungen italienischer Medien auf Europas größter Jagdmesse “Jagd & Hund” decken die Heuchelei der Trophäenjagdlobby und die Spaltung unter den Jäger*innen auf

Humane Society International reagiert auf die Kodami-Untersuchung als weiteren Beweis für das politische Greenwashing der Trophäenjäger*innen

Humane Society International / Europa


Polar bear cub trophy
HSI

BERLIN—Gestern veröffentlichte das italienische Medienunternehmen Kodami ein Video ihrer unabhängigen Undercover-Ermittlung auf der „Jagd & Hund”, Europas größter Jagdmesse, die vom 24. bis 29. Januar in Dortmund stattfand, und gewährte damit einen weiteren schockierenden Blick hinter die Kulissen einer Branche, die derzeit in Europa unter intensiver politischer Beobachtung steht, da mehrere Mitgliedstaaten ein Verbot des Trophäenhandels erwägen.

Humane Society International und ihre Mitgliedsorganisationen stehen an der Spitze des weltweiten Kampfes für ein Verbot des Handels mit Jagdtrophäen von geschützten Tierarten. Seit Jahren enthüllt Humane Society of the United States (HSUS), was auf der weltgrößten jährlichen Jagdmesse passiert, die vom Safari Club International in den Vereinigten Staaten veranstaltet wird um die Heuchelei der Trophäenjagd-Lobby zu entlarven, die diese ausbeuterische Industrie schönredet, während sie gleichzeitig gegen den Schutz gefährdeter Arten lobbyiert.

Kodamis Untersuchungsergebnisse fügen sich in eine wachsende Reihe von Beweisen für die politische Doppelzüngigkeit von Trophäenjäger*innen und ihre eklatante Missachtung von Naturschutzprinzipien ein. Viele Jäger*innen verurteilen die Trophäenjagd als in der modernen Gesellschaft inakzeptabel. Mehrere Untersuchungen von HSI und HSUS im Laufe der Jahre haben folgendes gezeigt:

  • Das Image der Trophäenjagd als gut geführte, auf den Naturschutz ausgerichtete Industrie ist eine Farce. Auf diesen Messen haben Veranstalter*innen von Jagdreisen und Trophäenjäger*innen ethische und tierschutzrelevante Erwägungen untergraben oder schlichtweg abgetan. Auf der Jagdmesse der Grafschaft Staffordshire im Jahr 2022 fragte unser Ermittler, ob er während einer Jagd in Afrika Alkohol trinken könne. Die Antwort der Ausrüster lautete: “Ja, die da drüben scheren sich einen Dreck um Alkohol. Wenn du mit einem Bier und einer Zigarre herumlaufen und Sachen in die Luft jagen willst, dann sag mir Bescheid. Die sind ziemlich entspannt.” Diese plumpe, unverantwortliche Einstellung war bei mehreren Untersuchungen, Veranstalter*innen und Gästen zu beobachten.
  • Trophäenjagdausrüster*innen auf den Messen nutzen verschiedene Maschen und hohe Rabatte, um den Umsatz zu steigern. Viele bieten sogenannte Gatterjagden (bei denen das Tier in Gefangenschaft gezüchtet und erlegt wird) oder “leichte” Jagden an, mit Abschussgarantie für die Kunden.
  • Outfitters werben mit Marketingstrategien, die darauf abzielen, den Verkauf von Jagden unabhängig von den Fähigkeiten der Jäger*innen zu maximieren, indem sie ein familiäres Erlebnis mit den Jagdführern versprechen, den Adrenalin-Kick der Trophäenjagd verherrlichen und unerfahrene Kund*innen in nur einem Tag vorbereiten. Sie behaupten auch, die Regeln für die Jagd “zu beugen”, um z.B. die Jagd vom Rücksitz eines Lastwagens aus oder die Jagd in Gefangenschaft anbieten zu können.
  • Kinder sind oft anwesend und werden in Werbematerialien abgebildet, um Familien anzusprechen. Die HSUS-Ermittler stellten fest, dass das Töten von Tieren zum Vergnügen und mit dem Ziel eine Jagdtrophäe zu erhalten für Kinder auf diesen Messen normalisiert wurde. Ein Konferenzteilnehmer erzählte den Ermittlern, dass er und seine Kinder an einer Gatterjagd teilnahmen und “ihren” Löwen innerhalb von 90 Minuten töteten.
  • Die Ermittler fanden heraus, dass die Jägerschaft die Trophäenjagd nicht einhellig befürwortet. Viele Jäger*innen sind der Meinung, dass die Gatterjagd, die Köderjagd und die Jagd vom Fahrzeug aus gegen die Ethik der fairen Jagd verstoßen, während andere die Jagd auf ikonische oder gefährdete Tiere oder die Jagd auf Tiere, bei denen der Fleischkonsum nicht im Vordergrund steht, nicht unterstützen.

Das Ermittlungsvideo von Kodami beweist einmal mehr, worauf Humane Society International seit Jahren hinweist: Das Wirtschaftsmodell der Trophäenjagdindustrie schafft Anreize für eine übermäßige Ausbeutung, die gefährdete Arten wie Löwen, Leoparden und Elefanten weiter an den Rand der Ausrottung treiben kann. Das Verkaufsmodell, das auf allen Messen zu finden ist, zeigt, dass der Wert von Wildtieren durch die Verbrauchernachfrage bestimmt wird und nicht durch ihren intrinsischen Wert, ihren Erhaltungsstatus oder ihren Wert für lokale Gemeinschaften. Die Trophäenpreise können sich auf bis zu 65.000 US-Dollar für wilde Löwen und 35.000 US-Dollar für Leoparden belaufen und liegen je nach Größe der Stoßzähne in der Regel bei 40.000 US-Dollar für einen Elefanten. Die Rekordauktion für die Jagd auf ein Spitzmaulnashorn – eines der am stärksten bedrohten Säugetiere der Welt – wurde 2014 auf der Safari Club International Convention für 400.000 US-Dollar versteigert. Die Branche wählt jedoch auch aus, welche Tiere sie abwertet, indem sie die Trophäengebühren niedrig ansetzt, z. B. für Enten, Tauben und Perlhühner, die nur 5 US-Dollar “wert” sind; indem sie extreme Rabatte für Jagdpakete anbietet (eine Giraffenjagd wurde für 1.200 US-Dollar als “Werbegeschenk” angeboten); oder indem sie getötete Tiere kostenlos als Köder anbietet, z. B. Nilpferde (deren Bestand rückläufig ist), um das Zieltier für die Trophäenjagd wie Löwen und Leoparden anzulocken.

Der Exekutivdirektor von Humane Society International/Europa, Ruud Tombrock, kommentierte das gestern von Kodami veröffentlichte Filmmaterial: „Trophäenjäger*innen können ihre Leidenschaft für das Gemetzel und ihre völlige Respektlosigkeit gegenüber Tieren nicht lange verbergen, wenn sie sich auf Messen und Kongressen wie der Jagd & Hund in Deutschland, der Cinegética in Spanien und dem Safari Club International in den USA versammeln. Verdeckte Ermittlungen wie die von Kodami und HSI sind von entscheidender Bedeutung, um die falschen Mythen über ihr Engagement für den Naturschutz und die Unterstützung lokaler Gemeinschaften zu widerlegen, mit denen die Jagdlobby bei politischen Entscheidungsträger*innen und in der Öffentlichkeit hausieren geht. Diese falschen Darstellungen der Industrie haben ihnen bisher jagd- und handelspolitische Ausnahmen für gefährdete Wildtiere gesichert, die sie zum Spaß erlegt haben, wo dies sonst verboten wäre. Wir können dies nicht weiter zulassen. Die politischen Entscheidungsträger*innen müssen damit aufhören, den Missbrauch von Wildtieren durch Trophäenjäger*innen zu unterstützen.“

Hintergrund:

  • Die EU ist der zweitgrößte Importeur von Jagdtrophäen. Zwischen 2014 und 2018 wurden 14.912 Jagdtrophäen von 73 verschiedenen Säugetierarten, die auf der CITES-Liste stehen, importiert, darunter Leoparden, Flusspferde, Elefanten, Löwen und sogar Arten wie das stark gefährdete Spitzmaulnashorn.
  • Deutschland ist weltweit der zweitgrößte Importeur von Jagdtrophäen international geschützter Tierarten weltweit. Laut Bundesamt für Naturschutz wurden 4.242 Einfuhrvorgänge zwischen 2016 und 2022 verzeichnet, darunter 158 Leoparden, 117 Flusspferde, 143 Afrikanische Elefanten, 112 Löwen, 51 Geparden, 18 Breit- und 2 Spitzmaulnashörner sowie 6 Eisbären.
  • Jagdmessen spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung und dem Verkauf der vertretenen Jagden.
  • Immer mehr Transportunternehmen verpflichten sich, den Transport von Jagdtrophäen abzulehnen. Hier finden Sie eine Liste von mehr als 30 Fluggesellschaften, Frachtunternehmen und Unternehmen aus dem Transportsektor, deren Passagiergepäck- oder Frachtpolitik ein Transportverbot von Jagdtrophäen beinhaltet.
  • HSI/Europe setzt sich seit 2021 mit der Kampagne #NotInMyWorld bei der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten für ein Verbot der Einfuhr von Jagdtrophäen ein. Unsere Petition an das Europäische Parlament fordert dringende Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die bestehenden Anforderungen der EU-Wildtierhandelsverordnung und der Habitat-Richtlinie in Bezug auf Jagdtrophäen ordnungsgemäß umgesetzt werden, wie in den Verpflichtungen der EU-Biodiversitätsstrategie dargelegt.
  • Wir haben bis heute bedeutende Fortschritte erzielt:
  • Am Juni 2023 hat die französische Nationalversammlung mit überwältigender Mehrheit (113 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme) einen Änderungsantrag angenommen, der die Einfuhr von Jagdtrophäen bestimmter gefährdeter Tierarten nach Frankreich in Zukunft erheblich einschränken könnte. Diese Abstimmung fällt mit einem neuen Gesetzesvorschlag für ein Verbot zusammen, der am 23. Mai eingebracht wurde.
  • Im März 2023 brachten britische Gesetzgeber im Unterhaus ein Gesetz ein, das die Einfuhr von Jagdtrophäen von über 6.000 international regulierten Tierarten, darunter Elefanten, Nashörner und Leoparden, verbieten würde. Der Gesetzentwurf wird derzeit vom Oberhaus geprüft.
  • In Italien kündigte die IEG Italian Exhibition Group SpA im vergangenen Jahr an, die HIT Show (Italiens größte Jagdmesse mit jährlich 40.000 Besuchern und Hunderten von internationalen Ausstellern) nicht mehr zu veranstalten, und begründete dies ausdrücklich mit der Unvereinbarkeit der Veranstaltung mit den ökologischen Werten und dem Auftrag der Veranstaltung.
  • Finnland hat die Einfuhr von Jagdtrophäen von Arten, die unter Anhang A und zwölf Arten unter Anhang B der EU-Wildtierhandelsverordnung geschützt sind, aus Ländern außerhalb der EU im Jahr 2022 verboten.
  • Das belgische föderale Parlament forderte die Regierung einstimmig auf, ab 2022 keine Einfuhrgenehmigungen mehr für Trophäen von Arten zu erteilen, die durch besondere internationale Handelsvorschriften geschützt sind.
  • Das Europäische Parlament nahm 2022 eine Entschließung an, in der es ein Ende der Einfuhr von Jagdtrophäen geschützter Arten in die EU fordert.
  • 2016 verboten die Niederlande die Einfuhr von Trophäen von mehr als 200 Arten, und 2015 verbot Frankreich die Einfuhr von Löwentrophäen.

ENDE

Pressekontakt: Eva-Maria Heinen, Communications & PR Managerin Deutschland/Italien: presse@hsi-europe.org; 0160 94491788

Fordere Deutschland dazu auf, den Import von Jagdtrophäen zu stoppen.

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