EU-Bürger*innen fordern besseren Tierschutz

Eurobarometer-Umfrageergebnisse bestärken die Forderung an die Kommission, ihr Versprechen einzulösen, die Käfighaltung von Nutztieren in der EU zu verbieten

Humane Society International / Europa


Pig farm in Italy
Jo-Anne McArthur/Essere Animali

BRÜSSEL/BERLIN—Die Europäische Kommission hat kürzlich die lang erwarteten Ergebnisse ihrer Eurobarometer-Umfrage zur Einstellung der EU-Bürger*innen zum Tierschutz veröffentlicht. Wie erwartet, bestätigen die Umfragedaten, dass die große Mehrheit der Europäer*innen (84 %) und der deutschen Bürger*innen (90 %) der Meinung ist, dass das Wohlergehen von sogenannten Nutztieren besser geschützt werden sollte. In allen EU-Mitgliedstaaten sind mindestens acht von zehn der Befragten der Ansicht, dass die Gewährleistung, dass Tiere nicht in Einzelkäfigen gehalten werden, ein wichtiger Faktor ist, um unserer ethischen Verantwortung gegenüber den Tieren gerecht zu werden.

Dr. Joanna Swabe, Senior Director of Public Affairs bei Humane Society International/Europe, kommentierte die Umfrage: „Die heute veröffentlichten Eurobarometer-Ergebnisse bestätigen eindeutig, dass die Bürger*innen in allen EU-Mitgliedstaaten die Förderung des Tierschutzes in außerordentlich hohem Maße unterstützen. Es war kein Geheimnis, dass diese Umfrage schon vor vielen Monaten durchgeführt wurde, aber es wird  gemunkelt, dass die Kommissionsleitung die Ergebnisse unterdrückt hatte, da sie nicht bereit war, die klaren Tierschutzverpflichtungen einzuhalten, die sowohl in der EU-Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ auch in der offiziellen Antwort auf die Europäische Bürgerinitiative zur Beendigung des Käfigzeitalters („End the cage age“) enthalten sind.”

Während einer parlamentarischen Anhörung Anfang des Monats brach Kommissionsvizepräsident Maroš Šefčovič, der neue Leiter des europäischen Green-Deal-Programms, das Schweigen der Kommission über ihr Versäumnis, das versprochene Paket von Legislativvorschlägen zur Überarbeitung und Erweiterung der bestehenden EU-Tierschutzvorschriften vorzulegen. Šefčovič ließ verlauten, dass alle Vorschläge mit Ausnahme des Vorschlags über Tiertransporte in absehbarer Zeit auf Eis gelegt würden. Die Eurobarometer-Umfrage zeigt vor den EU-Wahlen eindringlich auf, dass den EU-Bürger*innen der Tierschutz am Herzen liegt. Die Ergebnisse dieser Umfrage unterstreichen, wie wichtig es ist, dass Europa seiner Verpflichtung zur Abschaffung der Käfighaltung treu bleibt.

„Das Ignorieren der immensen Unterstützung der Bürger*innen für einen besseren Tierschutz und die Nichteinhaltung der Zusagen der Kommission, diese Gesetzesreformen durchzuführen, ist ein Affront gegenüber den Millionen von EU-Bürgern*innen, die eine bessere Behandlung von Nutztieren wünschen“, so Jo Swabe. „Nur noch wenige Monate bis zu den Europawahlen, und der Rückzieher der Kommission in Sachen Tierschutz birgt die Gefahr, dass das Vertrauen der Bürger*innen in die europäischen Institutionen und in deren tatsächliche Arbeit für sie und ihre Interessen schwindet.”

Die Unterstützung für verbesserte Tierschutzvorschriften kommt nicht nur aus der breiten Öffentlichkeit. Im Rahmen des REFIT-Programms der Kommission, das sicherstellen soll, dass die EU-Rechtsvorschriften ihre Ziele erreichen, wurde festgestellt, dass die derzeitigen Tierschutzvorschriften nicht mehr zweckmäßig sind. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat wissenschaftliche Gutachten über das Wohlergehen von Tieren in landwirtschaftlichen Betrieben erstellt, die deutlich machen, dass landwirtschaftliche Nutztiere komplexe Bedürfnisse haben, die in engen Käfigen und Boxen nicht erfüllt werden können.

Was das Wohlergehen von Tieren in landwirtschaftlichen Betrieben betrifft, so zeigen die Ergebnisse der Eurobarometer-Umfrage zum Beispiel Folgendes:

  • 90 % der Europäer*innen sind der Ansicht, dass Landwirtschafts- und Zuchtpraktiken grundlegenden ethischen Anforderungen entsprechen sollten.
  • 91 % der Europäer*innen und 92 % der deutschen Bürger*innen halten es für wichtig, das Wohlergehen von Nutztieren (z. B. Schweine, Rinder, Geflügel usw.) zu schützen, um sicherzustellen, dass sie angemessene Lebensbedingungen haben.
  • 67 % der Europäer*innen wünschen sich mehr Informationen über die Bedingungen, unter denen Nutztiere in ihrem Land gehalten werden.
  • Mehr als acht von zehn Befragten sind der Meinung, dass es in allen 27 EU-Mitgliedstaaten wichtig ist, dafür zu sorgen, dass Nutztiere genügend Futter und eine angepasste Umgebung haben, die ihre Grundbedürfnisse befriedigt (z. B. Schlamm, Stroh usw., je nach Tierart). 94 % der deutschen Bürger*innen wünschen sich diese Bedingungen für Nutztiere.
  • In allen 27 EU-Mitgliedstaaten sind mehr als acht von zehn Befragten und 94 % der deutschen Bürger*innender Ansicht, dass es wichtig ist, Nutztieren ausreichend Platz zu bieten, damit sie sich bewegen, hinlegen und aufstehen können.
  • Mindestens acht von zehn Befragten in allen 27 EU-Mitgliedstaaten und 93 % der deutschen Bürger*innen sind der Ansicht, dass es wichtig ist, sicherzustellen, dass die Personen, die mit den Tieren umgehen, über ausreichende Fähigkeiten und eine geeignete Ausbildung verfügen, um unserer ethischen Verantwortung gegenüber den Tieren gerecht zu werden.
  • In allen 27 EU-Mitgliedstaaten sind mehr als drei Viertel der Befragtenund mehr als neun von zehn deutschen Bürger*innen der Meinung, dass das Verbot des Abschneidens bestimmter Körperteile der Tiere, es sei denn, es ist zum Schutz der Sicherheit der Arbeiter*innen/Landwirt*innen notwendig (in diesem Fall wird eine Betäubung vorgenommen), eine wichtige Voraussetzung für die Erfüllung unserer ethischen Verantwortung gegenüber den Tieren ist.
  • 75 % halten die Praxis der Tötung eintägiger männlicher Küken für inakzeptabel.
  • Mehr als sechs von zehn Europäer*innen und 71 % der deutschen Bürger*innen sind der Meinung, dass die EU-Tierschutzvorschriften auch für aus Nicht-EU-Ländern importierte Lebensmittel gelten sollten.
  • Sechs von zehn Europäer*innen und 79 % der deutschen Bürger*innen sind bereit, mehr für Produkte aus artgerechter Tierhaltung zu bezahlen. Sechs von zehn Europäer*innen und acht von zehn deutsche Bürger*innen gaben an, beim Kauf von Lebensmitteln auf Etiketten zu achten, die Produkte aus artgerechter Tierhaltung ausweisen.

Fakten

  • Im Jahr 2020 veröffentlichte die Europäische Kommission ihre Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem als Teil ihres Flaggschiff-Pakets für den Europäischen Green Deal. Darin verpflichtete sie sich, die bestehenden Tierschutzvorschriften zu überarbeiten, um sie an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse anzupassen, ihren Geltungsbereich zu erweitern, ihre Durchsetzung zu erleichtern und letztlich ein höheres Tierschutzniveau zu gewährleisten. Das Gesetzespaket sollte im dritten Quartal 2023 veröffentlicht werden.
  • Als Reaktion auf die Europäische Bürgerinitiative zur Beendigung der Käfighaltung, die fast 1,4 Millionen gültige Unterschriften gesammelt hat, versprach die Kommission außerdem, bis Ende 2023 Vorschläge zur Beendigung der Käfighaltung von Tieren in der Lebensmittelproduktion vorzulegen.
  • Das Eurobarometer ist das offizielle Meinungsforschungsinstrument, das von der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und anderen EU-Institutionen und -Agenturen eingesetzt wird, um die öffentliche Meinung zu EU-Themen und die Einstellung der Bürger*innen zu bestimmten Themen zu beobachten.
  • Vor der heutigen Veröffentlichung war der Eurobarometer-Sonderbericht 442 über die Einstellung der Europäer*innen zum Tierschutz die letzte EU-weite Umfrage zu diesem Thema, die 2016 veröffentlicht wurde.  Damals gaben mehr als neun von zehn Befragten in der EU an, dass sie es für wichtig halten, das Wohlergehen von Nutztieren zu schützen (94 %).
  • In Deutschland ist die Käfighaltung für Legehennen in sogenannten „ausgestalteten Käfigen“ sowie das routinemäßige Töten von Küken nicht mehr erlaubt. Auch die Kleingruppenhaltung wird Ende 2025 (für besondere Härtefälle bis 2028) verboten sein. In Schweinezuchtbetrieben müssen Kastenstände (Metallgestänge, um die Muttersauen zu fixieren) bis 2029 im Deckzentrum abgeschafft werden und bis 2036 dürfen die Zuchtsauen nur maximal 5 Tage rund um die Geburt dort eingesperrt werden.

ENDE

Medienkontakt:Eva-Maria Heinen, Communications & PR Managerin presse@hsi-europe.org; 0160 94491788

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