Pelzindustrie: Vorwurf des Greenwashings

Neuer Bericht zeigt, dass der CO2-Fußabdruck von Pelzmode viel höher ist als der anderer Materialien. Die EU muss die Pelzproduktion verbieten, um Tiere und Umwelt zu schützen, fordert Humane Society International/Europe.

Humane Society International


Fur farm
Claire Bass/HSI

BERLIN —Die Umweltauswirkungen der Produktion von Nerz-, Fuchs- und Marderhundpelz übersteigen bei weitem jene anderer Materialien, die in der Modebranche verwendet werden, einschließlich Baumwolle und sogar Polyester und Acryl, die auch zur Herstellung von Kunstpelz verwendet werden. Dies geht aus einem neuen Bericht der CO2-Experten des Beratungsunternehmens Foodsteps hervor, der im Auftrag von Humane Society International/UK erstellt und von dem renommierten Nachhaltigkeitsexperten Isaac Emery geprüft wurde. Der Bericht zeigt, dass die PR-Behauptung der Pelzindustrie, Pelz sei „das umweltfreundlichste Material, das es gibt”, ein falsches Greenwashing und irreführend für Verbraucher*innen und Einzelhändler*innen ist.

Der Studie zufolge weist Pelz im Vergleich zu anderen Materialien die höchsten Treibhausgasemissionen pro Kilogramm auf, zu denen Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid gehören. Der Kohlenstoff-Fußabdruck von einem Kilogramm Nerzpelz ist 31-mal höher als der von Baumwolle und 25-mal höher als der von Polyester. Auch beim Wasserverbrauch schneiden die drei Tierpelze von allen untersuchten Materialien am schlechtesten ab: 104-mal höher als Acryl, 91-mal höher als Polyester und fünfmal höher als Baumwolle. Pelzaccessoires wie Pelzbesätze an Jackenkapuzen und Bommeln an Hüten und Schuhen haben ebenfalls einen höheren ökologischen Preis als ihre Gegenstücke aus Acryl. So schätzt die Studie, dass ein Bommel aus Marderhundpelz an einer Mütze einen fast 20-mal höheren Kohlenstoff-Fußabdruck hat als sein Gegenstück aus Acryl.

Jährlich werden weltweit etwa 100 Millionen Tiere für die Pelzherstellung verwendet, wobei allein in Europa im Jahr 2021 etwa 10 Millionen Nerze, Füchse und Marderhunde auf Pelzfarmen gezüchtet und getötet wurden. Der HSI-Bericht zeigt, dass ein europaweites Verbot der Pelztierzucht fast 300.000 Tonnen CO2-Äquivalent einsparen würde, was dem jährlichen Kohlendioxidausstoß von etwa 44.000 EU-Bürgern entspricht. Außerdem würden etwa 3.700 Tonnen Wasserverschmutzung und 11.800 Tonnen Luftemissionen eingespart. Tiere in Pelztierfarmen produzieren zudem große Mengen an umweltschädlichen Exkrementen. Ihre Pelze benötigen enorme Mengen an Wasser, Salz und einen Cocktail aus Chemikalien wie Chrom und Formaldehyd – die als giftige Karzinogene gelistet sind -, um zu verhindern, dass sie sich so zersetzen, wie es tote Haut und Haare auf natürliche Weise tun würden.

Dr. Joanna Swabe, Senior Director of Public Affairs bei Humane Society International/Europe, sagt: „Diese neue Studie enthüllt die Wahrheit und macht den Behauptungen der Pelzindustrie über ihre Umweltfreundlichkeit den Garaus. Pelz im Vergleich zu Kunstpelz als nachhaltiger darzustellen, ist eine Methode des Greenwashing, aber die Verbraucher sollten sich nicht täuschen lassen. Betrachtet man die Umweltauswirkungen, so ist die Pelzindustrie ein großer Umweltverschmutzer, der den ökologischen Fußabdruck von Materialien wie Baumwolle und Acryl bei weitem übertrifft. Nerzpelz zum Beispiel hat einen CO2-Fußabdruck, der den von Rindfleisch um das 7-Fache und den von Hühnern um das 34-Fache übertrifft. Angesichts der Tatsache, dass diese Industrie unsere Umwelt bedroht und die Tiere grausamen Bedingungen aussetzt, muss die EU unbedingt auf die 1,5 Millionen Unterschriften der starken Europäischen Bürgerinitiative für ein pelzfreies Europa reagieren.”

Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der EFA/Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss, bekam die Studie vorab zur Kenntnis und kommentiert: „Dieser Bericht unterstreicht, dass die Pelztierhaltung in Europa abgeschafft werden sollte. Zum vermeidbaren Tierleid aufgrund schlechter Haltungsbedingungen kommen offensichtlich bedenkliche Umweltauswirkungen, über die man bisher kaum gesprochen hat. Dieser Bericht sollte zur Kenntnis genommen werden, Pelztierzucht passt in Europa nicht mehr in diese Zeit.“

Die Modeindustrie ist schätzungsweise für zwei bis acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich und ein großer Wasserverschmutzer. Die Begrenzung des ökologischen Fußabdrucks der Modebranche ist daher von entscheidender Bedeutung für die Erfüllung der internationalen Klimaschutzverpflichtungen. HSI/Europe ist der Ansicht, dass dieser neue Bericht überzeugende Beweise dafür liefert, dass der unverhältnismäßig große ökologische Fußabdruck des weltweiten Pelzhandels beseitigt werden sollte, auch durch ein Verbot der Einfuhr und des Verkaufs von Pelzen in der EU.

Schnelle Fakten aus dem Bericht:

  • Der Kohlenstoff-Fußabdruck von 1 kg Nerzpelz (309,91 kg CO2-eq) ist 31-mal höher als der von Baumwolle, 26-mal höher als der von Acryl und 25-mal höher als der von Polyester. Marderhund- und Fuchspelz haben ebenfalls einen hohen CO2-Fußabdruck, der etwa 23-mal schädlicher für das Klima als Baumwolle und 18-mal schädlicher für das Klima als Polyester ist.
  • Nerzpelz verursacht 271-mal höhere Luftemissionen als Acryl, 215-mal höhere als Baumwolle und 150-mal höhere als Polyester. Pelze von Fuchs und Marderhund verursachen Luftemissionen, die etwa 104-mal höher sind als die von Acryl, 83-mal höher als die von Baumwolle und 57-mal höher als die von Polyester.
  • Pro Kilogramm Pelz werden fast 30.000 Liter Wasser benötigt. Der durchschnittliche Wasserverbrauch der drei Pelzsorten ist 104-mal höher als bei Acryl, 91-mal höher als bei Polyester und fünfmal höher als bei Baumwolle.
  • Die Produktion aller drei Pelzarten hat eine erschütternde Auswirkung auf die Wasserverschmutzung; Nerzpelz verursacht fast 400-mal mehr Wasserverschmutzung pro Kilogramm als Polyester, und im Durchschnitt sind alle drei Pelze 100-mal wasserverschmutzender als Baumwolle und 75-mal mehr als Acryl.

HSI geht davon aus, dass mit der zunehmenden Verfügbarkeit innovativer, biobasierter Materialien der nächsten Generation, einschließlich Kunstpelz aus pflanzlichen Rohstoffen, tierleidfreie Materialien immer umweltfreundlicher werden. Das Institut für Kunstpelz in Paris hat eine Roadmap für innovative Wege zur Herstellung von Kunstpelz mit dem Namen SMARTFUR auf den Weg gebracht, die auf den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft basiert. Im September 2019 brachte Stella McCartney gemeinsam mit DuPont in Zusammenarbeit mit ECOPEL KOBA® Fur Free Fur auf den Markt, den weltweit ersten vollständig recycelbaren Kunstpelz aus pflanzlichen Rohstoffen und recyceltem Polyester. Danach brachten die Gründer*innen Ashwariya Lahariya und Martin Stübler das Produkt BioFluff auf den Markt, den weltweit ersten Pelz auf Pflanzenbasis.

Der HSI-Bericht stützt sich auf Daten, die der französische Luxusmodekonzern Kering im Rahmen seiner Umweltbilanz veröffentlicht, um eine größere Hinwendung zur Nachhaltigkeit in der Modeindustrie zu fördern. Der Bericht untersucht die Auswirkungen von Materialien in der gesamten Lieferkette, einschließlich Rohstoffproduktion, Verarbeitung, Herstellung, Montage und Betrieb bis hin zum Einzelhandel. Obwohl diese Standard-Lebenszyklusanalyse der Modeindustrie die Entsorgung am Ende des Lebenszyklus nicht berücksichtigt, weist HSI/Europe darauf hin, dass alle Kleidungsstücke in der Modeindustrie auf der Mülldeponie landen können, wobei Artikel mit Tierpelzen keine Ausnahme darstellen.

Dr. Swabe fügt hinzu: „Alle Produkte haben bis zu einem gewissen Grad einen CO2-Fußabdruck, aber der neue Bericht von HSI zeigt, dass die Pelzproduktion eine weitaus gravierendere Umweltbelastung darstellt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Jacken mit Pelzbesatz, Bommelmützen und andere Wegwerfmodeartikel auf der Mülldeponie landen, ist genauso hoch wie bei Kunstpelz.  Die Wahrheit ist, dass die intensive Haltung von Millionen pelztragender Tiere und die Verarbeitung ihrer Felle mit Chemikalien niemals als natürlich oder nachhaltig bezeichnet werden kann.”

Schnelle Fakten zum Ausstieg aus Pelz:

  • Die meisten der weltweit führenden Designer haben pelzfreie Richtlinien eingeführt, darunter alle sechs Modemarken von Kering – Saint Laurent, Brioni, Gucci, Alexander McQueen, Balenciaga und Bottega Veneta – sowie Marken wie Valentino, Prada, Armani, Versace, Michael Kors, Jimmy Choo, DKNY, Burberry und Chanel.
  • Die Europäische Bürgerinitiative mit über 1,5 Millionen Unterschriften zeigt, dass die EU-Bürger*innen die Europäische Kommission nachdrücklich auffordern, die Pelztierzucht zu verbieten und den Verkauf von Pelzprodukten auf dem europäischen Markt zu untersagen.
  • Die Pelztierzucht ist bereits in vielen EU-Ländern verboten, darunter Österreich, Belgien, Bosnien-Herzegowina, die Tschechische Republik, Kroatien, Estland, Frankreich, Irland, Italien, Lettland, Luxemburg, Mazedonien, Malta, die Niederlande, Norwegen, Serbien, die Slowakei und Slowenien. Litauen, Polen und Rumänien erwägen derzeit ein Verbot der Pelztierzucht.
  • In den Vereinigten Staaten hat der Bundesstaat Kalifornien den Verkauf von Pelzen im Jahr 2019 verboten. Insgesamt haben 13 Städte in den USA den Pelzverkauf verboten, Israel war das erste Land der Welt, das den Pelzverkauf im Jahr 2021 verbot.
  • In mehr als 480 Nerzfarmen in 12 Ländern, darunter Italien, Polen, Schweden und Dänemark, wurden mit COVID-19 infizierte Nerze gefunden, und die Weltgesundheitsorganisation hat das Potenzial einer zoonotischen Ausbreitung der Krankheit in Pelzfarmen anerkannt. Im Oktober 2022 veranlasste ein Ausbruch der hoch pathogenen Vogelgrippe (H5N1) auf einer Nerzfarm in Spanien einflussreiche Virolog*innen dazu, dies als ein „Warnsignal” zu bezeichnen und die sofortige Beendigung der Praxis zu fordern.

Klicken Sie hier um den Bericht herunterzuladen.

Klicken Sie hier für HSI’s neue Animation über den ökologischen Fußabdruck des Pelzhandels.

ENDE

Medienkontakt: Eva-Maria Heinen, Communications & PR Managerin presse@hsi-europe.org; 0160 94491788

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