BERLIN—Füchse mit offenen Wunden, weinenden, infizierten Augen und deformierten, gespreizten Füßen – eine aktuelle Investigation der Humane Society International/UK (HSI) in Zusammenarbeit mit der finnischen Tierschutzorganisation Oikeutta Eläimille zeigt schockierende Bilder von finnischen Pelzfarmen und dem schrecklichen Tierleid. Die Ende Oktober durchgeführte Ermittlung bestärkt die Forderungen von HSI in Deutschland nach einem vollständigen Verbot der Pelztierzucht hierzulande sowie ein EU-weites Verbot. In Großbritannien, das seit 2000 Pelz im Wert von mehr als 16 Millionen Pfund aus Finnland eingeführt hat, fordert HSI/UK die Regierung auf, einen Gesetzesvorschlag für ein Einfuhrverbot von Pelzen zu unterstützen.
Des Weiteren stellten die Ermittler*innen fest, dass auf den besuchten Pelztierfarmen wichtige Präventivmaßnahmen zur Bekämpfung von Zoonosen missachtet wurden. Dies stellt ein gravierendes Risiko für die öffentliche Gesundheit dar. Mit Schutzanzügen filmten sie zudem stark übergewichtige „Monsterfüchse“ mit übermäßigen Hautfalten, die extra so gezüchtet wurden, um die Pelzausbeute zu steigern. Auch verhaltensauffällige Füchse, vermutlich mit psychischen Problemen, sind auf dem Filmmaterial zu sehen.
Bild-und Videomaterial von der Investigation können hier heruntergeladen werden.
Finnland ist eins der letzten europäischen Länder, in denen die Pelztierzucht noch legal ist. Der finnische Handel rühmt sich damit, dass fast 100 % der Fuchspelzfarmen nach dem SAGA-System (einschließlich des WelFur-Protokolls) zertifiziert sind, das „das höchste Niveau an Tierschutz“ verspricht. Das SAGA-System ist eine Reihe von Leitlinien, die vom finnischen Auktionshaus SAGA herausgegeben wurden.
Die grausamen Bedingungen, die durch die verdeckten Filmaufnahmen dokumentiert wurden – auch auf SAGA-zertifizierten Farmen -, zeigen jedoch die herzzerreißende Realität der Branche: Füchse sind ihr ganzes Leben lang in kleinen, kargen Käfigen eingesperrt und können weder das Gras unter ihren Füßen spüren noch natürliche Verhaltensweisen wie Laufen, Graben und Jagen ausüben. Fuchspelze aus Finnland werden von Marken wie Woolrich, Ermanno Scervino, Yves Salomon und Fendi verwendet. Woolrich, beispielsweise, hat in Deutschland laut Website acht eigene Einkaufsläden, die Produkte sind aber auch in großen Einkaufszentren erhältlich.
Claire Bass, Humane Society International/UK’s Senior Director of Campaigns and Public Affairs, dazu: „Ich habe in den vergangenen sechs Jahren etwa 20 Pelzfarmen besucht. Und jedes Mal wird deutlich, dass der Pelzhandel routinemäßig sowohl den Tierschutz als auch die öffentliche Gesundheit missachtet. Finnische Pelzfarmen bezeichnen das Wohlergehen der Tiere als ‘oberste Priorität’, aber diese Untersuchung erzählt eine ganz andere Geschichte. Die entsetzlichen Bedingungen sind Welten entfernt von dem „Luxus“-Image, das der Pelzhandel zu vermitteln versucht.“
In Deutschland gibt es kein offizielles Verbot der Pelztierzucht. Im Jahr 2017 hat das Land strengere Tierschutzstandards eingeführt, die u.a. vorschreiben, dass Nerze in größeren Käfigen gehalten und mit Wasser zum Schwimmen ausgestattet sein müssen. Weil die Pelztierfarmen dadurch nicht mehr rentabel waren, haben im Jahr 2019 alle Farmen geschlossen. HSI in Deutschland setzt sich seit Jahren dafür ein, bekannte Modemarken wie zum Beispiel Max Mara von einer pelzfreien Unternehmenskultur zu überzeugen. Erst im August diesen Jahres hat Max Mara verkündet, keine Pelzprodukte mehr zu verkaufen.
Sylvie Kremerskothen Gleason, Landesdirektorin von HSI/Europe in Deutschland, dazu: „Das deutsche Tierschutzgesetz greift noch zu kurz, denn es verbietet Pelztierfarmen nicht per se. HSI/Europe fordert deswegen ein gesetzlich verankertes Verbot dieser Farmen auch in Deutschland, um sicherzustellen, dass Wildtiere künftig nie wieder für die Pelzproduktion gehalten und getötet werden. Sollte sich Deutschland den 16 anderen EU-Mitgliedsstaaten anschließen, die bereits ein Verbot der Pelzindustrie eingeführt haben, würde das auch die Glaubwürdigkeit unseres Landes im Kampf für ein EU-weites Verbot erhöhen. Deutschland würde damit ein klares Zeichen setzen, dass die Haltung und Tötung von Tieren zur Pelzproduktion absolut inhuman ist.”
Ausbrüche wie die von COVID-19 und der hochpathogenen Vogelgrippe auf mehr als 500 Pelzfarmen in Europa und Nordamerika haben Wissenschaftler*innen und Gesundheitsbehörden schon längst alarmiert. Nachdem im Jahr 2023 die Vogelgrippe auf Pelztierfarmen in Finnland ausgebrochen ist (ursprünglich wurde hier eine wilde Möwe als Infektionsträger vermutet), haben die finnischen Behörden nicht nur Biosicherheitsmaßnahmen und obligatorische Kadavertests eingeführt, sondern auch Vorschriften erlassen, die den Einsatz von Netzen vorschreiben. Diese sollen verhindern, dass Wildvögel in die Käfige der untergebrachten Tiere sowie in ihr Futter und Trinkwasser gelangen. Die HSI-Ermittler*innen fanden aber Betriebe, die sich nicht an diese Vorschriften halten und dadurch die öffentliche Gesundheit gefährden. In vielen Fällen deckten die Netze nicht die gesamte Länge der Käfige ab, in einem Fall wurde sogar der verweste Körper einer wilden Möwe direkt unter einer Reihe von Fuchskäfigen gefunden.
Kristo Muurimaa von Oikeutta Eläimille sagt: „Finnische Pelztierfarmen sind eine vorprogrammierte Seuchenkatastrophe. Die Käfige sind den Wetterbedingungen ausgesetzt und es gibt keine zuverlässige Möglichkeit, dass Wildvögel die Pelztiere nicht mit der Vogelgrippe infizieren. Wir fordern die finnische Regierung auf, dem Beispiel von 22 anderen europäischen Ländern zu folgen und den Pelzfarmer*innen Unterstützung zu gewähren, damit sie diese Industrie schnell schließen können.“
Im Oktober 2024 hat eine Abgeordnete der britischen Labour-Partei einen Gesetzesvorschlag („Private Member’s Bill“) vorgeschlagen, um die Einfuhr und den Verkauf von Pelzen in Großbritannien zu verbieten. HSI/UK begrüßte die Vorlage dieses Gesetzentwurfs als bedeutenden Schritt nach vorn. Der Gesetzentwurf sieht vor, das bestehende Verbot des Handels mit Katzen-, Hunde- und Robbenfellen auf den Handel mit Füchsen, Marderhunden, Nerzen, Chinchillas, Kojoten und anderen Tiere, die für Pelzmode getötet werden, auszuweiten und die Einfuhr und den Verkauf von neuen Tierfellen aller Arten zu verhindern. Wenn das Verbot in Kraft tritt, würde es die Mitschuld des Vereinigten Königreichs an der Grausamkeit und den Gesundheitsrisiken des weltweiten Pelzhandels beenden.
Fakten zu Pelz
- Zehn Millionen Tiere leiden und sterben jedes Jahr im globalen Pelzhandel, die meisten werden in kahlen Batteriekäfigen auf Pelzfarmen gehalten.
- Zusätzlich zu den physischen und psychischen Qualen, die das Leben in kleinen, kahlen Käfigen mit sich bringt, sind die auf Pelzfarmen verbreiteten Tötungsmethoden ebenso qualvoll. Füchse werden in der Regel durch anale Elektroschocks getötet, Nerze werden vergast.
- Die Pelztierzucht ist mittlerweile in 22 europäischen Ländern verboten – in den 16 Mitgliedstaaten Österreich, Belgien, Kroatien, Tschechische Republik, Estland, Frankreich, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Rumänien, Slowakei und Slowenien sowie in Bosnien und Herzegowina, Guernsey, Norwegen, dem Vereinigten Königreich, Nordmazedonien und Serbien. Dänemark, Schweden und Ungarn haben Maßnahmen ergriffen, die die Zucht bestimmter Arten beendet haben. Politische Diskussionen über ein Verbot sind in Polen, Bulgarien und Schweden im Gange.
- Nerze auf fast 500 Pelzfarmen in 13 Ländern in Europa und Nordamerika wurden mit COVID-19 infiziert, und das hochpathogene aviäre Influenzavirus A(H5N1) wurde bisher auf 73 Pelzfarmen (eine in Spanien, 72 in Finnland) nachgewiesen. Millionen von Nerzen, Arktischen Füchsen, Rotfüchsen und Marderhunden wurden aus Gründen des öffentlichen Gesundheitswesens geschlachtet.
- Im Jahr 2023 brach auf finnischen Pelztierfarmen die Vogelgrippe aus, bei der eine Übertragung von Tier zu Tier als wahrscheinlich galt. Die finnischen Behörden haben daraufhin im Sinne der öffentlichen Gesundheit angeordnet, alle Tiere auf den infizierten Farmen zu töten (ca. 500.000 Nerze, Füchse und Marderhunde).
- Das finnische Ministerium für Land- und Forstwirtschaft schreibt bestimmte Vorsichtsmaßnahmen vor, um die Übertragung der Vogelgrippe von Wildtieren auf Pelztiere zu verhindern. Beim Besuch der Farmen in Finnland haben die Ermittler*innen umfassende Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Sie trugen bei jedem Besuch neue Schutzanzüge, Schuhabdeckungen und Gesichtsmasken und mussten vor dem Besuch der nächsten Farm einen negativen COVID-19 vorweisen.
- Die Umweltauswirkungen der Produktion von Nerz-, Fuchs- und Marderhundpelz übersteigen bei weitem jene anderer Materialien, die in der Modebranche verwendet werden, einschließlich Baumwolle und sogar Polyester und Acryl, die auch zur Herstellung von Kunstpelz verwendet werden. Dies geht aus einem Bericht der CO2-Expert*innen des Beratungsunternehmens Foodsteps hervor, der im Auftrag von Humane Society International/UK erstellt und von dem renommierten Nachhaltigkeitsexperten Isaac Emery geprüft wurde. Der Studie zufolge weist Pelz im Vergleich zu anderen Materialien die höchsten Treibhausgasemissionen pro Kilogramm auf, zu denen Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid gehören.
- Im Juli 2023 erschien in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences ein Artikel, in dem die Wissenschaftler*innen des Imperial College London warnten, dass die Pelztierzucht ein Risiko für künftige Krankheitsausbrüche darstellt. Die Pelztierzucht sollte demnach die gleiche Risikokategorie wie der Buschfleischhandel und die Märkte für lebende Tiere erhalten.
ENDE
Medienkontakt: Susan Wolters, Media and Communications Manager Deutschland, HSI/Europe, swolters@hsi.org; Tel.: +49 (0)160 94491788